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"Alles anders in diesem Jahr...!"

Am 5. Dezember 2018 lud das Berliner Antike-Kolleg (BAK) bereits zum zweiten Mal in den Griechischen Hof des Neuen Museums ein, um vor imposanter Kulisse die Aktivitäten des noch laufenden Jahres Revue passieren zu lassen, neue Impulse für die altertumswissenschaftliche Forschung zu setzen und die Absolventinnen und Absolventen der Berlin Graduate School of Ancient Studies (BerGSAS) zu feiern.

Den Abend eröffnete Christoph Markschies, Professor für Antikes Christentum an der Humboldt-Universität zu Berlin und Vorstandsmitglied des BAK, mit einem anregenden Grußwort. Unter der Überschrift "Alles anders in diesem Jahr ..." widmete er sich der gegenwärtigen Situation der Berliner Altertumswissenschaften, zeigte die mit ihr verbundenen Herausforderungen, aber auch die aus ihr erwachsenen Chancen auf, und betonte die Rolle des BAK als institutionelle Heimat für die vielfältigen Forschungen zur Alten Welt. 

Inhaltlich führte der Abend diesmal über den klassisch-antiken Rahmen bewusst hinaus: der Künstler Michael Triegel, der zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Leipziger Schule gehört, sprach in seinem Vortrag "Untergehend sogar ists immer dieselbige Sonne" über die Antike als Quell seiner Inspiration und die Rolle mythologischer Motive in seiner Kunst, die in der Tradition der Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts steht.

Im Mittelpunkt des Abends standen die 14 Absolventinnen und Absolventen unserer Graduiertenschule. Sie erhielten nach einer einführenden Rede des BerGSAS-Sprecher Cilliers Breytenbach (Humboldt-Universität zu Berlin) durch die BerGSAS-Sprecherin, Monika Trümper (Freie Universität Berlin) und den Generalsekretär des Deutschen Archäologischen Instituts, Philipp von Rummel, die Zertifikate für ihr erfolgreich absolviertes Promotionsstudium.

Grußwort von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies | Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Alles anders in diesem Jahr, liebe Damen und Herren.

Alles anders in diesem Jahr, so könnte ich die Begrüßung zu diesem fünften Abend des Berliner Antike-Kollegs einleiten. Zum ersten Mal spricht nach diversen Wissenschaftlern nun ein Maler – und dokumentiert, dass wir den iconic turn, die Entdeckung der Bedeutung des Bildes, die Entdeckung der Bildlichkeit und ihres Eigenwertes gegenüber der Textlichkeit, nicht nur in den Berliner Bildwissenschaften nachvollzogen haben. Michael Triegel spricht, ein in Leipzig ausgebildeter und in Italien, besonders in Rom geformter Maler. Vielen bekannt aufgrund seiner Portraits, ich nenne hier einmal nicht das Bild in der Deutschen Botschaft am Heiligen Stuhl in Rom, an das viele jetzt denken, sondern ein bezauberndes Bild von Michael Blumenthal, Gründungsdirektor des Jüdischen Museums und Altkurator der Humboldt-Universität in der Galerie der Ehrenbürger im Berliner Abgeordnetenhaus. Wie sehr diese klassische Kunstlandschaft das Schaffen von Triegel bestimmt, konnte man spätestens zur Jahrtausendwende an der „Allegorie der Guten Regierung“ im historischen Rathaus von Plochingen sehen, schon der Titel verweist auf Rathausbilder der italienischen Frührenaissance und ihre Grundlagen in der antiken Staatsphilosophie. Aber im Wandbild trägt auch ein Bauarbeiter mit Helm einen Holzbalken etwas unmotiviert durch die Renaissance-Allegorien. Zehn Jahre später wird die „Harmonia Mundi“, ein monumentales Deckengemälde für die Würzburger Dommusik, „Verbildlichung der auf der Ordnung der Zahlen beruhenden Weltdeutung des Pythagoras“. Mir gefallen die herrlich untersichtigen Orgelpfeifen fast noch besser als das Monochord auf Goldgrund. Nicht umsonst hieß die im selben Jahr eröffnete Retrospektive im Leipziger Museum der Bildenden Künste „Verwandlung der Götter". Und dieses deutsche Stichwort „Verwandlung“ macht dann ja deutlich, dass eben doch nicht alles anders ist, verwandelt, transformiert ist etwas, bei dem sich einiges ändert und anderes gleich bleibt. So – einiges ändert sich, anderes bleibt – hat eine kluge Freundin etwas despektierlich das Konzept des Sonderforschungsbereichs „Transformationen der Antike“ beschrieben, das unter Leitung von Hartmut Böhme und Johannes Helmrath von 2005 bis 2016 in Berlin viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versammelte. Man wollte damals an die Stelle der klassischen Idee einer Rezeption der Antike das Konzept setzen, dass Antike jeweils in allen nachantiken Bezügen neu konstruiert, neu erschaffen wird und dabei höchst unterschiedliche Bezüge der Auswahl, Hervorhebung, Abkapselung, Einschließung und Verbergung zu beobachten sind. Ich komme auf dieses hoffentlich noch nicht ganz vergessene Konzept, mit dem sich ja jetzt auch wieder ein Berliner Sonderforschungsbereich unter dem Titel „Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit“ unter Leitung von Gyburg Uhlmann auseinandersetzt, weil man im Blick auf einen Künstler doch tatsächlich besser von Schöpfung als von schlichter Rezeption redet. Und Triegel geht es ja auch nicht um ein bloßes Zitat, um Malen wie bei Pontormo oder Bronzino, sondern um Gegenmodelle und Archetypen. Klingt wie Begriffe aus der Transformationstabelle des Sonderforschungsbereichs Transformationen der Antike. Und das angespielte Bild „Verwandlung der Götter“ zeigt entsprechend auch, dass nun keineswegs nur Figuren aus Antike und Renaissance seine Bilder bevölkern.

Alles anders in diesem Jahr, liebe Damen und Herren. Alles anders in diesem Jahr – das könnte ich auch auf die Lage der Berliner Altertumswissenschaften in diesem Jahr 2018 beziehen. „Berliner Antikenforschung ohne Flaggschiff“ titelte eine Berliner Tageszeitung nach den Bonner Entscheidungen über Exzellenzcluster in der Exzellenzstrategie – und wer wollte bestreiten, dass wir alle eine Weile gebraucht haben, diese Entscheidung zu verdauen. Nicht nur Monika Trümper, Michael Meyer und Gerd Grasshoff haben sich nach Kräften und teilweise weit darüber hinaus dafür eingesetzt, dass ein neues Cluster zustande hätte kommen können. Ich möchte heute Abend sehr bewusst ihnen und allen noch einmal für das Engagement danken. Wir sollten nicht vergessen, dass nicht die vielen Jahre erfolgreicher Arbeit im Exzellenzcluster Topoi evaluiert worden sind, sondern ein Antrag für ein Forschungsprojekt. Was unter dem Label Topoi in den vergangenen Jahren geleistet worden ist, bleibt natürlich und strahlt weiter, auch wenn Ende September 2019 die Auslaufförderung endet und damit auch dieses Cluster. Ich verstehe natürlich die Sorgen der vielen Mitarbeitenden, aber möchte auch vor Dramatisierung warnen. Es wäre – um beim Thema des heutigen Abends zu bleiben – falsch, wenn wir die Vergangenheit nach dem Modell der wunderbaren gotischen Bilder der Paradiesgärtlein zeichnen würden und die Gegenwart nach den düsteren Höllenbildern des späten Mittelalters. Memling und Bosch taugen nicht als Illustrationen der Lage. Wir sollten vielmehr in den nächsten Monaten nüchtern analysieren, was wir durch die Ereignisse des letzten Jahres darüber gelernt haben, was wir in Zukunft besser machen können. Und wir sollten nicht gehetzt und überhastet an neue Projekte gehen, auch nicht fortsetzen, was an sein Ende gekommen ist, aber auch nicht melancholisch und betrübt auf dem Sofa liegen. Wir waren – wenn ich das so sagen darf – so klug, mit dem Berliner Antikekolleg eine nachhaltige Struktur der Berliner Altertumswissenschaft gleichsam auf Vorrat auszubilden, sie auf kleiner Flamme in den letzten Jahren bereit zu halten und nun kann, nun wird sie die Aufgaben übernehmen, für die wir sie vorgesehen haben: Inkubator neuer Projekte der Berliner Altertumswissenschaft, institutionelle Heimat für Daueraufgaben der Berliner Altertumswissenschaft. Das klingt vielleicht sehr theoretisch, sehr unbestimmt, ist aber in den nächsten Wochen und Monaten zu füllen und wird gefüllt. Also auch hier nicht: alles anders in diesem Jahr, liebe Damen und Herren, sondern so, wie meine erwähnte Freundin formuliert: einiges bleibt sich gleich, anderes ändert sich. Auch in diesem scheinbar so besonderen Jahr. Frisch ans Werk!