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Syllabare in der keilschriftlichen Überlieferung - philologische und kulturhistorische Implikationen

Keilschrifttafel

Keilschrifttafel

Die grundsätzliche Voraussetzung für jede Arbeit mit einem Keilschrifttext, egal aus welcher Epoche er stammt, wo er gefunden wurde oder in welcher Sprache er verfasst wurde, ist seine Lesung – und dies wiederum setzt die Kenntnis der Zeichenformen und ihrer Bedeutung voraus, d. h. der für die vom jeweiligen Kontext abhängigen Entscheidung für die jeweils intendierte und einzig korrekte Lesung eines bestimmten Zeichens aus einer möglichen Vielzahl. Die Grundlage hierfür ist das Syllabar, neben Grammatik und Wörterbuch das dritte grundlegende Instrument der Keilschriftphilologie.

Ein Syllabar stellt aber nicht einfach ein unveränderliches Inventar an möglichen Lesungen einzelner Zeichen dar, sondern es unterliegt wie diese einem Wandel, vor allem dann, wenn die Keilschrift für weitere Sprachen nach dem Sumerischen und dem Akkadischen, der zentralen Sprache der gesamten Überlieferung, verwendet wird. Die Entwicklungen der Syllabare sind aber, weder was die Syllabare der unterschiedlichen Traditionen im Einzelnen noch die Abhängigkeiten und Differenzen zwischen ihnen und die damit in Verbindung stehenden kulturgeschichtlichen Fragen betrifft, bisher eingehend erforscht worden: Im Rahmen dieses Test Topics soll deshalb ein Syllabar bzw. eine Reihe von Syllabaren zu den keilschriftlichen Traditionen der überwiegend in akkadischer Sprache überlieferten Texte aus der Späten Bronzezeit (2. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.) in Syrien und der Levante erstellt und in Hinblick auf seine kulturhistorische Bedeutung erarbeitet werden.

Bei den für vorliegende Fallstudie relevanten Textkorpora kommen in erster Linie die reichhaltigen Tontafelfunde aus Ugarit, Qaṭna, Alalaḫ, Emar, Ekalte sowie die verstreuten Funde des kanaanäischen Raumes und Tell el-Amarna in Frage, wobei zentral ist, den jeweiligen sprachlichen Kontext zu berücksichtigen, in dem diese Texte entstanden sind. Als Umgangssprachen dienten vor allem westsemitische Sprachen und das Hurritische. Die im Hintergrund stehenden Sprachen, dies ist eine naheliegende These, beeinflussen nicht nur das verwendete Akkadisch, das oftmals etwas despektierlich „barbarisches“ Akkadisch genannt wird, sondern durch ihre andersartige Phonologie wirken sie mit Sicherheit auch auf das Syllabar der Texte ein. Der Umfang dieses Einflusses soll im Rahmen des Projektes untersucht und dabei auch die seit langem diskutierte Frage über die Rolle des Akkadischen in der Peripherie der Späten Bronzezeit berücksichtigt werden.

Zentrales Arbeitsinstrument soll eine speziell entworfene Datenbank sein, die alle relevanten Informationen über jedes einzelne Zeichen bzw. die einzelnen Lautwerte enthält und darüber hinaus zahlreiche weitere relevante Informationen wie Belegort, -alter, -kontext usw. mit der jeweils spezifischen Zeichenform kombiniert. Durch entsprechende Annotierung und Kommentierung wird eine weit höhere Informationsdichte erreicht, als dies bisher bei gedruckt vorliegenden Syllabaren der Fall war.

Mit der Feststellung spezifischer Charakteristika des Syllabars wird es auch besser als zuvor möglich sein, die Herkunft einzelner Tontafeln zu bestimmen oder zumindest einzugrenzen bzw. lokale Gruppierungen zu erkennen.

Dieses Test Topic soll zunächst die methodischen Voraussetzungen erarbeiten und diese dann in einer konkreten Fallstudie auf ihre Tauglichkeit und Produktivität hin erproben. Ziel ist es zum einen, eine online zugängliche Ressource zu schaffen, die für alle interessierten Nutzer wesentliche Informationen zur Verfügung stellt, gleichzeitig aber auch ein Forschungstool repräsentiert, das für die unterschiedlichsten philologischen, sprachwissenschaftlichen und kulturhistorischen Untersuchungen im Bereich der Keilschriftphilologie eingesetzt werden kann. Zum anderen wird eine IT-Infrastruktur geschaffen, die modular quasi unbegrenzt erweitert werden kann auf die Erforschung theoretisch des gesamten keilschriftlichen Quellenmaterials; das kann durch direkt lokal durchgeführte weitere Teilprojekte oder dezentral durch assoziierte und extern finanzierte Projekte erfolgen, die lediglich auf die geschaffenen Strukturen zurückgreifen, damit aber gleichzeitig auch wieder deren Nutzen erweitern. Das Vorhaben ist eng mit dem Arbeitsbereich Repositories – Editions – Materials (REM) verknüpft.